Das Radelfinger Gemeindehaus in Detligen hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Bei der soeben erfolgten Renovation stand plötzlich auch ein Wetterhahn im Mittelpunkt.
Eine Trauergemeinde hat sich auf dem Platz vor dem Gemeindehaus in Detligen versammelt. Die Anwesenden sprechen leise miteinander, hier ein Händedruck, dort eine Umarmung. Es ist kalt. Der Nebel und die Bise umrahmen die traurige Stimmung. Der Pfarrer hatte soeben seine Worte des Abschieds gesprochen, als ein Glockenschlag einsetzt. Es ist die „Ewigkeit“, welche mit ihrem tiefen Ton den Trauerzug auf den Friedhof begleitet. Die „Ewigkeit“, so heisst die grössere von zwei Glocken im Turm des Detliger Gemeindehauses. Die kleinere mit dem hohen Ton heisst „Liebe“. Sie läutet täglich um halb Zwölf zur Mittagszeit. Und das tut sie bereits seit sehr langer Zeit: „Die Mägde und Knechte auf den Feldern nahmen den Ruf der Glocke wahr, sie beendeten ihre Arbeit und kehrten heim zum Mittagessen“, weiss Daniel Mauerhofer, Radelfingens Ehren-Gemeindepräsident. Wenn einer die Geschichte des Gemeindehauses in Detligen kennt, ist er es. „Volle dreissig Jahre habe ich in diesem Gemeindehaus mit meiner Familie gelebt und gewohnt. Jeden Winkel, jede Ecke kenne ich, jede Veränderung habe ich aufmerksam mitverfolgt“, so Mauerhofer. Dass die Geschichte des Gemeindehauses auf- und fortgeschrieben wird, ist ihm und auch der Gemeinde Radelfingen wichtig. Das sei auch der Grund, weshalb man sich aus Anlass der soeben erfolgten Renovation dazu entschieden habe, eine Spezialausgabe des Gemeindeblattes herauszugeben. „Als Daniel Mauerhofer mit einem ganzen Aktenkoffer voller Material auf der Gemeindeverwaltung erschien, um ein paar Kopien für sich zu machen, habe ich die Gelegenheit beim Schopf gepackt“, so Gemeindeverwalter Martin Riesen.
Das Spezialbulletin erläutert die spannende Geschichte des altehrwürdigen Hauses, welche bis zu seiner Fertigstellung ins Jahr 1898 zurückgeht. Dass das Gemeindehaus damals nicht im Hauptort Radelfingen, sondern in Detligen erstellt wurde, sorgte natürlich für Diskussionen. Der Grund für den damaligen Entscheid lag jedoch auf der Hand: „Das Haus wurde ziemlich genau in der Mitte der weit verzweigten Gemeinde gebaut“, so Mauerhofer. „Man achtete beim Neubau darauf, dass die Einwohner von Oltigen etwa den gleichen Weg und gleich viel Zeit aufwenden mussten wie die Radelfinger, um ins Gemeindehaus zu kommen“. Das war damals wichtig, denn die Hauptverkehrsmittel waren das „Berner-Wägeli“ oder der Bockwagen, gezogen von Pferden natürlich. Höchstens der Wirt im Dorf, der Käser sowie ein Betagter Marktfahrer ganz hinten im Dorfteil Jucher hätten "so neuartige, motorisierte und viereckige Kisten“ gehabt, welche man Autos nannte.
Der fein säuberlich, aus Kupfer geschmiedete Hahn zuoberst auf dem Turm wurde durch die Witterung im Laufe der Zeit komplett geschwärzt. Im Jahr 2000 wurde er schliesslich bei einem starken Nordwindsturm aus seiner Verankerung gerissen und zerschellte auf dem Vorplatz des Gemeindehauses. Damals hätten die Behörden es als „zu protzig“ angeschaut, den Hahn bei dieser Gelegeheit mit Gold zu belegen. Man habe sich „bescheiden und nicht überheblich“ geben wollen, erinnert sich Mauerhofer an jene Zeit zurück. Jetzt mit der Renovation im Herbst 2014, bei welcher auch das Turmdach einbezogen wurde, sei die Zeit reif gewesen: Der Hahn ganz oben auf dem Gemeindehaus erstrahlt nun in seinem schönstem Gold.
Text/Bild: Markus Nobs (Der Artikel erschien im Bieler Tagblatt)