So gesittet wie auf dieser Abbildung aus dem Jahr 1912 ging es auf dem Stedtliplatz auch früher nicht immer zu und her. Dieses Bild lieferte wertvolle Informationen für die Inventaraufnahme der Verkehrswege.
Dass Aarberg einmal einer der wichtigsten Verkehrsknotenpunkte der Schweiz war, weiss heute kaum jemand.
"Wenn man diese Karte von 1901 betrachtet, sieht man, dass damals der ganze Verkehr über die Holzbrücke und durch das Stedtli ging", so Hans Pfäffli, welcher für das Aarberger Ortsarchiv diesen Vortragsabend organisiert hatte. Tatsächlich: Von der heute viel befahrenen Bahnhofstrasse ist auf dem alten Dokument noch nichts zu sehen. "Aarberg als Knotenpunkt historischer Strassen" lautete das Thema, zu welchem Hanspeter Schneider, Präsident von Via Storia die Anwesenden mitunter in Staunen versetzte. Via Storia ist eine Stiftung für Verkehrsgeschichte, welche im Auftrag des Bundes unter anderem ein Inventar der historischen Verkehrswege der Schweiz erstellt hat.
"Aarberg war einst einer der bedeutendsten Verkehrsknotenpunkte der Schweiz", so Schneider. Dies sowohl auf dem Wasser-, als auch dem Landweg. "Ja, die Aare war einer der Hauptverkehrsträger des Staates Bern". Salz, Holz, Wein oder andere Güter auf dem Wasser zu befördern, war im achtzehnten Jahrhundert die schnellste, günstigste und vor allem auch sicherste Transportmöglichkeit. "Die grosse Bedeutung des Wasserverkehrs kann man heute noch an Inschriften, beispielsweise an der Fassade des alten Fährhauses in Dotzigen, erkennen", weiss Schneider. Der schweizweite aber auch internationale Verkehr zu Land querte Aarberg sowohl von Westen nach Osten, als auch von Norden nach Süden. Dadurch nahm Aarberg eine wichtige Zentrumsfunktion ein, "welche weitaus bedeutender war, als diejenige der Stadt Bern". Schneider: "Das ärgerte die Berner natürlich und es gingen ihnen dadurch viele Zolleinnahmen verloren".
Schliesslich wussten die Stadtberner etwas dagegen zu unternehmen und riefen eine völlige neue Strasenbau-Epoche aus. Sie erhoben den "Zytglogge-Turm" zum neuen Mass der Zeit. Parallel dazu wurden nach 1740 neue, bis zehn Meter breite Wege zwischen Bern und Zürich, respektive Zurzach oder zwischen Bern, Lausanne und Genf gebaut. "Das waren zur damaligen Zeit die 'Autobahnen'", schmunzelt Schneider. Sie waren auch der Auslöser, dass damals die Postkutschen eingeführt wurden. Die für damalige Verhältnisse markanten Strassen waren mit prägenden Elementen ausgestattet. So zum Beispiel mit Stundensteinen, welche radial im Umkreis des Berner Zeitglockenturms jede Fussstunde entfernt errichtet wurden. In Aarberg steht ein solcher Stein an der Bernstrasse, allerdings einer, der "denkmalpflegerisch diskutabel" renoviert worden sei, so der Via Storia-Präsident. Die Stundensteine waren die Vorgänger der späteren Meilensteine.
Der Verlust an Bedeutung Aarbergs als wichtigen Verkehrsknotenpunkt war schliesslich absehbar: Durch die bequemeren und auch schnelleren, nationalen Strassenverbindungen durch das Mittelland und eben mit Bern als Mittelpunkt, wurden beispielsweise auch die Routen über den hügeligen und anstrengenden Frienisberg immer weniger gewählt.
Artikel von Markus Nobs aus dem Bieler Tagblatt vom 8. November 2014