Nachdem wir (mein kleiner Hund Levin und ich) die beiden letzten Male dem Aarelauf entlang Richtung Bielersee gingen, entschieden wir uns gestern, einmal nachzuschauen, wo all dieses Wasser eigentlich herkommt: Wir gingen flussaufwärts, bis wir nach fünfeinhalb Stunden Wanderzeit in Hinterkappelen strandeten.
Das kam so: "Vielleicht ist es eine der letzten Gelegenheiten, das Kernkraftwerk Mühleberg noch in Betrieb zu sehen", meinte ich am Zmorgetisch. Schliesslich soll es 2019 ja abgeschaltet werden und wer weiss, ob ich bis dahin noch dazu komme, eine solche Wanderung zu unternehmen. Gut, ehrlich gesagt, wird es danach ja bestimmt für mindestens weitere zwanzig Jahre noch an seinem heutigen Platz stehen. So ein Rückbau soll ja unheimlich lange dauern.
Bis nach Niederried und anschliessend dem Stausee entlang Richtung Golaten waren wir noch recht zügig unterwegs. Man wird natürlich nicht zuletzt durch diese einzigartige Naturlandschaft getragen, die man dort vorfindet. Bald ist Kerzerslauf, wie ich an den bereits signalisierten Streckentafeln sehen konnte. Das muss wohl einer der schönsten Läufe der Schweiz sein, wenn er durch ein solch wunderbares Naturschutzgebiet führt. Hoffentlich können die Läuferinnen und Läufer dies dann auch geniessen und denken nicht die ganze Zeit nur ans Rennen.
Kurz nach der Saanemündung (also dort wo die Saane in die Aare fliesst) erwartet uns ein wenig Kletterarbeit. Biber haben hier ganze Arbeit geleistet und gleich ein Riesenteil von einem Baum quer über den Wanderweg fallen lassen. Levin inspiziert die Nagestellen unten am Stamm und denkt vielleicht: "Mit etwas Uebung wäre mir das wohl auch gelungen".
Vom Saanesteg aus sieht man bereits das Kernkraftwerk, bei dem wir etwa zwanzig Minuten später eintreffen. Also eintreffen ist eigentlich das falsche Wort. Levin und ich schleichen uns dem Wanderweg und dem mehrere Meter hohen, mit Stacheldraht umwickelten Zaun entlang. Nur allzu gut spüren wir die Kameras im Nacken, die auf uns gerichtet sind und hinter denen vielleicht jemand denkt, dass wir - beides doch einigermassen liebe Zeitgenossen - etwas Unrechtes im Schilde führen könnten. Sicher ist halt sicher.
Weiter vorne beim Wasserkraftwerk hat es keine Kameras mehr - oder dann jedenfalls nicht solche, die man sehen würde. Hier wären wir eben jetzt an dieser Stelle, die keinesfalls beschädigt werden sollte. Die Diskussionen liefen ja heiss um dieses Thema, als man davon sprach, dass ein Bruch des Wohlensee-Staudamms verheerende Folgen für das weiter unten stehende Kernkraftwerk haben könnte. Da würden wohl auch die Kameras nichts mehr nützen. Also hoffe ich, dass hier beim Wasserkraftwerk alles noch lange so bleibt, wie es heute dasteht.
Der weitere Verlauf der Wanderung wird echt zäh. Wunderschön zwar, aber eben zäh. Weil: Es geht mehrmals über längere Strecken aufwärts und nach der bereits zurückgelegten Strecke hängt das doch recht an. In Murzelen kann ich bei einem Bio-Bauernhof einen erfrischenden Apfelsaft geniessen, der mich wieder etwas in Schwung bringt. Levin ist froh um den tiefer gelegten Teil des Brunnens, aus welchem er trinken kann.
Hier dem Nordufer des Wohlensees entlang hat es ein paar sehr schöne Häuser und auch Wochenend- oder Ferienhäuschen. Sie stehen an wunderschöner Lage und ich denke, dass wenn man hier ein solches Plätzchen hat, man sicher nicht auf die Idee kommt, ins Tessin zu fahren, so angenehm und bestimmt auch erholsam, wie es hier so kurz vor den Toren der Bundesstadt ist.
Etwas mehr als fünf Stunden Wanderzeit: Wir erblicken das Wohleibrücklein und im Hintergrund die Hochhäuser aus Hinterkappelen. Auf diesen Anblick habe ich ehrlich gesagt schon etwas länger gewartet. Nicht etwa weil die Hochhäuser besonders schön wären, im Gegenteil. Aber es zeigte mir den Zielort an. Obwohl: Mein ältester Bruder hat vor langer Zeit einmal in einem dieser Hochhäuser gewohnt, im zweitobersten Stock. Also die Aussicht war wirklich toll.
Komischerweise spüre ich kurz vor dem Kappelenring (eben dort wo die Hochhäuser stehen) meine Knie, sodass ich denke, dass ich keine 100 Meter weiter gehen könnte. Das trifft sich gut, die Postauto-Haltestelle ist noch rund 80 Meter entfernt. Komisch....
So ist er halt, der Mensch (oder besser gesagt sein Hirn). Wenn er weiss, dass er nicht mehr lange durchhalten muss, lässt er sich fallen und spürt plötzlich all seine Leiden und Gebrechen, die er zuvor tunlichst verdrängt hat...
Text/Fotos: Markus Nobs